„Achtung!“, brüllt jemand, und dann poltert ein drei Meter langes, dunkles Holzbrett zwischen Gerüst und Bootshauswand nach unten und kracht auf den Terrassenboden.

Drei Meter Geschichte des RV Bochum sind da soeben von der Fassade unseres Bootshauses gepellt worden. 40 Jahre hat es da zusammen mit den anderen Brettern gehangen. Aber jetzt muss es runter, zusammen mit allen anderen Brettern. Schließlich soll der Verein es noch ein paar Jahre machen, denn die Isolation und der Schutz vor den Umwelteinflüssen hier an der Ruhr drohte nachzulassen.

„Unglaublich, was man hier alles findet“, meint „Otto“, unser Vorsitzender und hält irgendwas in die Luft, das wie ein vergammelter Grasballen aussieht. Das ist es auch. Otto identifiziert es als altes Vogelnest, was es auch sein könnte. Dann macht er sich wieder an der Fassade zu schaffen; drei Meter über dem Boden auf dem Gerüst mit einer Brechstange.

Neben ihm ist Sascha zugange und weiter links das Ehepaar Stefan und Claudia. Das Gerüst hat insgesamt drei Etagen. Man arbeitet sich von oben nach unten vor. Alle haben Masken auf dem Gesicht, als Schutz vor dem jahrzehntealten Staub, der mit jedem abgehebeltem Brett als feine Wolke in die warme Luft dieses Spätsommermorgens entweicht.

Es ist 9.30 Uhr und seit einer halben Stunde rücken wir dem alten Bootshaus auf die Pelle. Gustav und Linde, Justus, Linus und weitere JuniorInnen sammeln die alten Holzbretter von der Terrasse auf und reichen sie über das Geländer nach unten, wo Vorarbeiter Jens Oliver mit weiteren Helfern zwei kleine Anhänger bestückt. Ist einer voll, wird er nach draußen durch den Tunnel gezogen, wo ein riesiger Müllcontainer steht, in dem das alte Holz abgeladen wird.

Jens Oliver hat den Überblick, gibt Tipps, teilt ein, weiß, wo was liegt. Er hat diesen Arbeitseinsatz organisiert und Werkzeug bereitgestellt. Außerdem gibt es Handschuhe und Atemschutzmasken für alle.

Nachdem ich eine Zeitlang Bretter von der Terrasse nach unten gereicht habe, gibt’s einen neuen Auftrag. „Wir sollen die neuen Bretter holen.“, sagt „Wolle“. „Komm mal mit, ich brauch einen tumben Gehilfen.“ Genau das richtige für mich. Schließlich ist das ja hier Freizeit, da will man nicht nachdenken.

Die neuen Bretter liegen draußen vor dem Tunnel auf Paletten. Ein großer Stapel von Brettern. Sibirische Lärche, 250 Quadratmeter. Wolle und ich nehmen uns immer sechs Bretter gleichzeitig. Drei rechts, drei links, im Gleichschritt durch den Tunnel bis vor zu unserem improvisierten Zeltbootshaus auf der Wiese. Nach ein paarmal Hin- und Her kommt jemand auf die gute Idee, die Bretterstapel auf einem leeren Hänger durch den Tunnel zu schieben. Meine Idee ist das nicht, ich bin ja nur der tumbe Gehilfe; aber Wolles ist es auch nicht.

Jedes Mal, wenn Wolle und ich wieder aus dem Tunnel herauskommen und unseren Hänger auf die Wiese vor dem Bootshaus fahren, um die neuen Bretter abzuladen, ist das Bootshaus ein bisschen nackter. Glasfaserwolle und eine kunstvolle Holzkonstruktion, die alles zusammenzuhalten scheint, werden sichtbar.

Zwischendurch kommen Emma und Johann mit Getränken vorbei und irgendwann gibt es Essen. Linda hat gekocht, Caren und Katrin haben Salat geschnippelt. Es gibt Nudeln mit Gemüse in Tomatensauce. Köstlich! An die 40 HelferInnen nehmen auf der Terrasse an einer langen Tafel in der Mittagssonne Platz.

Man kommt gut voran, stellen wir beim Blick auf die Fassade fest. Nur noch wenige der alten Holzbretter klammern sich an die Wand.

„Und was machen wir jetzt?“, fragt Wolle nach dem Essen. „Hinter dem Container liegt einiges an Müll. Das könnt ihr zusammensammeln und mir dahinten auf einen Haufen packen. Ich nehm’s dann später mit zur Kippe.“, sagt Jens Oliver. Schon bald kreuchen Wolle und ich hinter dem Altholzcontainer jenseits des Tunnels auf der anderen Seite des Borbachs durchs Dickicht, beseelt vom Wunsch nach überaus drastischen Strafen für miese Umweltsünder, die Sofas, meterweise Kabel, Schläuche, Öldosen und gelbe Säcke mit vollen Windeln einfach so in der Natur abladen. Es werden zwei Schubkarren voll Unrat, die wir da rausholen und für Jens Oliver zu einem Müllhaufen aufschichten. Und dann sind wir fertig! Dachte ich.

„Die Hecke. Da kommt oben keiner ran“, meint Jens Oliver. Und so stehe ich als kurz darauf mit lahmen, ausgestreckten Armen vor der Nussbaumhecke und schwenke die rasselnden Klingen der elektrischen Heckenschere. Dann bin ich aber fertig, irgendwann, und die anderen auch. Alle Bretter sind entfernt, das Werkzeug wieder weggeräumt, die Teller gespült und die Küche aufgeräumt. Nur noch den Heckenschnitt zusammenharken.

Die gute Nachricht: Der Arbeitseinsatz für Sonntag fällt aus. Wir – das sind auch alle, die ich namentlich nicht erwähnt habe – haben alles an nur einem Tag erledigt!

Und am Montag kommen dann die Profis und zimmern die neuen Bretter an unser Bootshaus; damit alles wieder isoliert ist und schön aussieht: Für die Hundertjahrfeier und hoffentlich mindestens für die nächsten 40 Jahre.

MB